Luxus auf großen Schiffen. Ist GRÖSSER besser?
by Earl of Cruise
Am 03.Juli 2015 annoncierte die CARNIVAL CORPORATION, zu der die Kreuzfahrtgesellschaften AIDA CRUISES, COSTA CROCIERE, HOLLAND-AMERICA LINE, CARNIVAL CRUISES (2014 US$ 15,884mrd), P&O CRUISES, P&O CRUISES AUSTRALIA, PRINCESS CRUISES - das sind die mit der US TV Serie LOVE BOAT, SEABORN CRUISE LINES, CUNARD LINE und FATHOM als neueste Gesellschaft (Brand) gehören, dass sie einen Neubauauftrag für 4 Schiffe fest, und 2 Schiffe in Option, vergeben haben.
Die mit den zuvor genannten Reedereien größte Kreuzfahrtgesellschaft der Welt (102 Schiffe), will nicht nur LNG
(Liquid Natural Gas) als Treibstoff für die für COSTA und AIDA
bestimmten Neubauten verwenden, sondern will auch 6.600 Passagiere
(7.000 bei Doppelbelegung) auf den rund 180.000 BRZ (engl. GT, gesamter Rauminhalt eines Schiffes) großen Schiffen unterbringen.
Die weltweit tätige Kreuzfahrtindustrie erzielte 2014 US$ 39,6 Milliarden (US
- Billion) Umsatz. Das ist eine Steigerung um 6.9% zum Vorjahr. Dabei
gingen 22,2 Million Passagiere an Bord der Schiffe aller Anbieter
weltweit. Das ist wiederum eine Steigerung um 3,9% zu 2013. CARNIVAL Corp. deckte dabei 48,1% des Marktes und erzielte 42,2% des gesamten Umsatzes weltweit. Ist GRÖSSER besser?
Was bedeutet das?
Zum einen, der seriöse Schritt in eine grüne Antriebstechnologie. Das
ist mehr als begrüßenswert, denn die Kreuzfahrtschiffe sind alles andere
als wirklich umweltfreundlich, wenn sie, wie es zumeist geschieht, mit
Schweröl betrieben werden - auf See und in den Häfen. Waren früher die
dunklen Rauchfahnen über den Schiffen ein Zeichnen von Kraft und Stärke,
so sind sie heute ein Symbol für die Verschwendung von Rohstoffen und
zusätzlichem Aufheizen unserer Atmosphäre. Und dann ist da noch das Problem mit den Russpartikeln. Ich möchte hier nicht weiter
in die Kerbe der Dreckschleudern reinhauen! Aber es ist anachronistisch,
dass Schiffe immer noch mit dem hochgiftigen Abfall der Ölindustrie
betrieben werden. Und der muss zudem noch mit Energieaufwand angewärmt
(auf 60°) werden, damit er flüssig wird, um verbrannt werden zu können. LNG
verbrennt nahezu rückstandsfrei. Es kommt im Grunde nur noch heiße Luft
aus dem Schornsteinen.
Allerdings benötigt LNG 6x mehr Lagerplatz als Bunkeröl. Und Platz ist auf einem Schiff das knappste Gut.
Zum anderen die Zahlen. Stirnrunzeln!
180.000 BRT und 6.600 Passagiere bei einfacher Belegung, und etwa 7.000
Passagiere, wenn alle Betten in den Kabinen an Bord genutzt werden ...
und wie viel Crewmitglieder, also Stewards, Küchenpersonal, Techniker,
etc. sind mit an Bord? Bislang noch nichts konkretes. Aber ich ahne
vielleicht 1.000 bis 1.200 Mann. Das heißt für die Crew, die den Gast zu
versorgen hat: Stress pur. Mindestens 15h Schichten und zusätzliche
Sonderdienste. Das Lächeln wird noch mehr zu einer frostigen Grimasse -
vielleicht. Aber vielleicht schafft CARNIVAL ja die Schlafplätze und das
Schlafen an Bord für die Crew ab ... und verteilt "Hallo-Wach-Pillen"?
Oder es wird wie auf den Segelschiffen in Schichten in Hängematten
geschlafen?
Warum Hängematten? Ganz einfach, die um ~45.000 BRZ größere OASIS of the SEAS Klasse von ROYAL CARIBBEAN
(RCL) hat "nur" 5.400 Passagiere an Bord. Und erst wenn ALLE Betten aus
den Wänden und Sofas aufgeklappt wurden, nimmt sie 6.296 Passagiere
auf. Das war bislang die höchste Anzahl von Passagieren auf einem
Kreuzfahrtschiff.
Die neuen CARNIVAL Corp. Schiffe nehmen 304 mehr
Gäste an Bord auf als die größeren RCL Schiffe. Damit hat jeder ein
BRZ/Gast Verhältnis von 27 BRZ des gesamten Schiffes. Das hört sich erst
einmal viel an. Auf den Luxuskreuzfahrtschiffen sind mindestens 50 BRZ
je Gast ein Mindeststandard. Allerdings ist das wenig, wenn es Schiffe
mit 70, 80, 90 BRZ oder gar mehr Raum je Passagier an Bord gibt.
Aber
wie sieht es dann an Deck am Pool aus? Es werden wohl viele Handtücher
"reservierend" auf den Sonnenliegen einsam flattern ... sie geben dann "Warten auf Godot".
Denn bislang hat es keine Reederei geschafft für seine Gäste einen
Liegestuhl zur Verfügung zu haben. Auf den Schiffen von AIDA gibt es
gerade mal für 1/3 der Gäste einen Liegestuhl. Kommt da eine
"Handtuchkrise" auf den Gast zu?
Wie steht es mit dem "passenger flow" (Passagierfluss, -bewegung) an Bord? Das bedeutet viel freie Lauffläche.
Stellen
wir uns doch mal einfach den Beginn der Reise auf einem der Neubauten
vor. Wie bewältigen die Mitarbeiter das? Das werden dann Jumbo-Jet, oder
A380 Ladungen an Personen sein, die an Bord zum Check-In erscheinen.
Bis 18:00 muss jeder neue Gast an Bord sein - spätestens. Bis 12:00 muss
die vorherige "Passagierladung" von Bord sein. Das wären bei "nur"
6.000 Gästen, 1.000 Personen jede Stunde, die an den Schaltern der Lobby
ihre On-Board-Key-Credit-Card (Scheck-/Kreditkarte mit der man in die
Kabine kommt und zugleich an Bord bezahlt - wird der eigentlichen
Kreditkarte bei der Abrechnung gegengerechnet), ein Infoblatt, etc.
erhalten, und vielleicht Fragen beantwortet bekommen. Vor allem für
Erst-Kreuzfahrer kann ich mir einen ganzen Katalog an Fragen vorstellen -
denn leider klären Online Reisebüros nicht auf, hier kann man
gewöhnlich "nur" buchen, und Reisebüros sind zumeist schlecht
informiert.
Nebenbei muss noch gesäubert und aufgeräumt werden ...
also alles für den neuen Gast glänzen. Denn wer möchte in der
verknitterten Bettwäsche eines unbekannten "Vorschläfers" liegen ...
Wird es noch ein Hauptrestaurant geben? Oder nur noch Bufett
Restaurants ... ? Ich kann die Schlangen schon sehen, und die
gestressten Crewmitglieder und genervten Passagiere, die bei "qualvoll
langer Auswahl der Speisen" der Vordermänner/-frauen, den knurrenden
Magen spüren und den Hungertod vor Augen haben ... Aber vielleicht löst
man das Problem auch einfach und effizient: Klappen in den Kabinentüren
in denen das Essen in ansprechenden Plastik- oder Pappboxen
"durchgeschoben" wird ... St. Quentin lässt grüßen!
Ich denke aber,
dass es eine Vielzahl von Restaurants geben wird - schließlich müssen
7.000 Menschen verköstigt werden. Das wiederum benötigt auch mehr Platz
an Bord. Nicht zu vergessen für die unterschiedlichen Küchen.
Jetzt
haben wir ausreichend Platz für den Treibstoff - tief unten im Bauch des
Schiffes, den Lagerplatz für die Rohstoffe - um die Passagiere zu
versorgen, die freien Decksflächen - um sich in frischer Seeluft der
Sonne hinzugeben, die Gänge und Treppenhäuser - denn man muss sich auf
einem Schiff bewegen können, die Bars, Restaurants, und anderen Räume -
in denen man sich geselligem Treiben hingeben kann ... Wie groß können
da noch die Kabinen sein? Oder wie viele Decks wird es geben - 15, 16,
17?
Ein Mitreisender auf der neuen BRITANNIA der
P&O CRUISES meinte zu mir: "Wenn Sie ihre Frau loswerden wollen,
dann reisen Sie auf der BRITANNIA. Sie wird sich verlaufen, und Sie sind
sie los ...". Britischer Humor, zugegeben, aber leider treffend. Selbst
erfahrenen Kreuzfahrern, wie mir, gelingt es sich auf dem Schiff mit
seinen "nur" 3.000 Gästen an Bord zu verlaufen. Um vom Heck zum Bug zu
gelangen benötigt man lockere 30 bis 45 Min., wenn man gecheckt hat wie
man gehen muss.
Wie lang werden die Schlangen an den verschiedenen Eingängen sein? Wie
lang die Schlangen zu den Attraktionen an Bord? Den Rutschbahnen, den
Pools, den Bars, den Theatern ... ich mag es mir nicht recht vorstellen
... Bei AIDA ist in den neuen Schiffen der SPHINX
Klasse, das Theater in die Lauffläche integriert, was bei Vorstellungen
stört, da die Passagiere hier zwingend durchgehen müssen, wollen sie
von A nach B auf dem Schiff.
Ist GRÖSSER besser? Große
Kreuzfahrtschiffe bedeuten mehr Möglichkeiten an Bord, nicht weniger.
Das Schiff ist zur Destination an sich geworden. Und die Reeder tun
alles, damit sein Gast an Bord bleibt und sein
Urlaubsgeld auf dem Schiff ausgibt.
Dann haben wir das "An Land Gehen" im
Zielhafen. Wie lange wird man an den Ausgängen zu den Gangways warten,
um wieder festen Boden unter den Füssen zu haben? 1h? 2h? 3h? ... Und
dann die Armada von Bussen, welche die Gäste zu den gebuchten
Ausflugszielen kutschieren? Was an Treibstoff und Schmutz am Schiff
gespart wurde, wird nun von den Bussen erledigt. Und wie viele Busse
verträgt eine kleine Karibikinsel, z.B. Saint Lucia, oder irgend eine
andere "typische" Destination eines großen Kreuzfahrtschiffes?
Dann ist da noch etwas anderes, was mir bedenken macht.
Wie ist das in den Zielgebieten?
Stellen Sie sich doch bitte einmal in Europa die Perle der Adria, Dubrovnik, vor. In der Altstadt leben etwa 6.000 Menschen. Und nun ankern im Hafen Gruž, oder vor der Altstadt, zwei Schiffe dieser Klasse ... 2x 6.600/7.000 Passagiere Stürmen das UNESCO Weltkulturerbe ... und es liegen noch weitere Schiffe mit 4.000, 5.000 (MSC
plant seine Neubauten mit dieser Kapazität) im Hafen und "spucken" ihre
Passagiere aus ... An machen "Hochtagen" strömen alleine 20.000
Menschen über die Stadtmauer von Dubrovnik und noch mal so viele durch
die Altstadt. Das sind nicht nur Kreuzfahrtpassagiere, sondern auch
Urlauber von den Stränden der Umgebung.
Auf Rhodos sieht es nicht anders aus. Die Altstadt überschwemmt mit Menschen.
Ich habe es auf St. Thomas mit seinen rund 5.000 Einwohnern und auf St.Maartin (niederl.)/Saint Martin
(frz.), das rund 4.000 Einwohner auf der niederl. und der frz. Seite
hat, erlebt. Dort lagen gleich so viele Kreuzfahrtschiffe im Hafen, dass
die Insel von den Passagieren überschwemmt wurde. In den
Einkaufsstraßen sah man nur wogende Köpfe, fast wie das Weizenfeld am
Ende des Filmes GLADIATOR. Ist GRÖSSER besser?
Schlussendlich
ist die Passagierkapazität eines Schiffes der Schlüsselfaktor für den
Gewinn, den ein Eigentümer, Charterer oder Reeder erzielen kann.
2014 lag der weltweit durchschnittliche Reisepreis bei etwa US$ oder €
1.350 je Passagier. Allerdings benötigt eine Reederei US$ oder € 1.780
um einen Gewinn von US$ oder € 230 zu erlangen ... Also muss es
zusätzliche Einnahmequellen an Bord geben. Sonderrestaurants, Getränke,
Landprogramme, SPAs, etc. sind nicht mehr inklusiv, sondern müssen extra
bezahlt werden - daher die On-Board-Key-Credit-Card, von der auch
gleich das Trinkgeld mit eingezogen wird, der "Tipp".
Ist GRÖSSER
besser? Größer, also damit Platz für mehr Passagiere (High Density -
hohe Dichte) an Bord ist für den Reeder immer das Beste! Für den Gast
bedeutet Größer auch mehr Auswahl an Bord eines Schiffes.
Jetzt ist CARNIVAL Corp. die erfolgreichste Kreuzfahrtgesellschaft der Welt, und die MEYER WERFT
einer der erfahrensten Schiffbauer der Welt, und beide wissen somit was
sie können und damit tun. Vielleicht müssen wir ihnen einfach nur
vertrauen, dass sie etwas bauen, dass neben Gewinnmaximierung, auch die
Bedürfnisse der Gäste an Bord befriedigt.
Aber ist Größer, denn wirklich besser?
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