Ist die Digitalisierung der Kunstwerke in Museen ein Fluch?
Oder ist die Digitalisierung vielleicht ein Segen?
by Earl of Cruise
by Earl of Cruise
French
Liner NORMANDIE backing out of her New York pier during a night
sailing in 1935.
Oil on canvas 15"x22"
Oil on canvas 15"x22"
courtesy of William G. Müller, marine artist
Sicher
erinnert sich jeder in der Bundesrepublik Deutschland noch an die Aufregung als
Autos mit monströs anmutenden Aufbauten durch die Straßen fuhren. Sie
photographierten alles was sie vor ihre rotierenden Linsen bekamen. Ein
weltweit bekanntes amerikanisches Unternehmen, welches uns bei der Suche im Internet
behilflich ist - wofür wir unsere Nutzerdaten hergeben - scannte unsere
Umgebung, Häuser, Gärten und alles was da so kreuchte und fleuchte ... Dieses
Unternehmen lichtete auch, zur Digitalisierung, Kunstwerke in den Museen der Welt ab. Genauso digitalisiert es Bücher und stellt sie im weltweiten Netz zur
Verfügung.
Einerseits
wollten wir unsere Privatsphäre geschützt wissen, andererseits stellen wir
bedenkenlos jedes noch so unwichtige Detail unseres Lebens in genau dieses Netz
- für jeden und immer zugänglich.
Damals,
und immer noch, hieß es Datenkrake oder Datenheuschrecke. Und als diese
Unternehmen zuerst nicht auf unsere Proteste reagieren wollte, musste die
Politik qua Gesetzesvorschrift handeln. Man kann also Lieschen Müller nicht
mehr im Bikini im Vorgarten sehen.
Aber
seien wir einmal ehrlich zu uns, jeder nutzt den Service dankbar und liefert
als Bezahlung seine werberelevanten Daten.
Kritisch
wird es allerdings, wenn wir die im Heimatland des digitalisierenden
Unternehmens geltenden prüden Regeln der Darstellung von nackten Körpern übergestülpt
bekommen - also in der Kunst. Balken über der Venus von Milo? Das ist dann
Zensur für uns Kontinental Europäer. Auch hier half eine weltweite
Protestwelle, dass sich besagtes Unternehmen beugen musste.
Da
soll noch einer sagen, wir Verbraucher hätten keine Macht.
Das
Unternehmen nutzt unsere gesammelten Daten für seine Werbekontakte und eigenen
Subunternehmen. Soweit so gut. Wenn wir als Nutzer kontrollieren können welche
Daten da auf "ewig" in den Servern des Unternehmens sind. Das
"wo" und "wie" ist eine der Fragen, ebenso wie die nach deren
Nutzung. Hier gilt EU und deutsches Datenschutzgesetz.
Aber
was bedeutet das im Zusammenhang mit Museen?
Ist
es ein Fluch, ein Sargnagel? Oder ist die Digitalisierung am Ende ein Segen?
Die
Antwort ist zweischneidig.
Jeder
kann das Angebot nutzen, und sollte es auch können. Denn Kunst, wie und welche
auch immer, bildet uns. In Europa zahlt man in fast allen Museen Eintritt, egal
ob sie privat oder öffentlich finanziert werden. Es ist quasi eine Betrachtungs-
oder Anschau-Nutzungsgebühr. Aber sozial schwache Mitbürger sollten freien
Eintritt bekommen. Der Staat, das Land und die Stadt finanzieren solche
Einrichtungen, und hier sollte nicht gespart werden. Es geht um unser
Gedächtnis.
Museen
und deren Exponate sind ein Allgemeingut (Allmende). Museen verwalten, pflegen
und bewahren nur die ausgestellten oder deponierten Kulturgüter, wie private
Sammler es sollten. Die Artefakte und Kunstwerke, welche unsere Vorforderen
geschaffen haben gehören nicht einem, sondern sind ein für die Menschheit zu
verwaltendes Erbe.
Viele
haben nicht die Möglichkeit mal eben zu einer besonderen Ausstellung quer über
den Globus zu reisen, nach New York, Kapstadt, Sydney oder Tokio. Oder in
spezielle Museen, wie z.B. Marinemuseen in London, in Greenich, in Paris, in Saint
Nazaire, in New York oder in Madrid, um die Artefakte und Ausstellungen dort zu
sehen. Hier ist die Digitalisierung ein Segen.
Und
ich glaube nicht, dass es irgendeinen der Interessierten von einem
Museumsbesuch abhalten wird. Derjenige, welcher es sich leistet, kann oder
will, der fährt in das Museum seiner Wahl.
Interessant
ist hierbei, dass ich kürzlich lesen musste, dass ein US amerikanischer
Liebhaber der ss NORMANDIE nach dem Verbleib der Kunstwerke, des idealen aller
Ozean Liners fragte. Es ging dabei um die Entfernung der Wandpanelen, die
ursprünglich von Jean Dunand für die NORMANDIE geschaffen worden waren. Sie
wurden im Zuge des Umbaus der CELEBRITY SUMMIT entfernt. Wo sie verbleiben ...
keiner weiß es derzeit. Kulturgut gehört allen
Jean Dunands Wandpanele für die ss NORMANDIE gefertigt, zurechtgestutzt für die geringere Deckenhöhe im Gourmet Restaurant `Normandie´ in der CELEBRITY SUMMIT. Im April 2016 wurde das Restaurant zugunsten eines massentauglicheren Angebotes umgebaut. courteay CELEBRITY CRUISES
Es
wurde ausgiebig auf facebook diskutiert. Der Fragende plädierte für eines der
rein privat finanzierten Museen in der USA. So weit so gut, wenn es nicht in
Konkurs gehen muss, wie das Seaport Museum in New York.
Nur
die Begründung des Fragenden war hingegen etwas verquer. `Weil die ss NORMANDIE für
den Dienst nach New York bestimmt gewesen sei, gehörten die Artefakte von Bord
der ss NORMANDIE samt und sonders in die USA´.
Wenn
dann gehörten alle Artefakte der ss NORMANDIE nach Frankreich, dem Land welches
sie geschaffen hatte und dessen Kultur die ss NORMANDIE als der beste Botschafter
in die Welt hinaus trug.
Ein
Traum wäre es in der Tat, würden alle Kunstwerke der ss NORMANDIE im Nachhinein
digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So muss man nicht nach
Chicago, Los Angeles, Saint Nazaire, Paris reisen. Die Recherche egal zur
ss NORMANDIE oder jedem anderen Thema würde sich erleichtern. Auch wenn das Original
in Augenschein zu nehmen, ein besonderer Moment ist, weil man vielleicht etwas
entdeckt, was das digitale Bild nicht zeigt oder kann.
Stellen
sie sich vor, man könnte durch die 3D Räume der ss NORMANDIE wandern. Aber als 2D
am PC ist ebenfalls nicht verkehrt.
Aus
der ss NORMANDIE ist alles über die Welt verstreut. In Museen und bei
Privatsammlern, und die raren Stücke werden mit den Jahren immer teurer. Es
wird für die Forschung zur ss NORMANDIE ein Segen sein, wenn alles noch
existierende digitalisiert wäre.
Die
ss NORMANDIE ist solch ein, der Menschheit gehörendes, Kulturgut.
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