Gustav Kopal segelte mit ss COLUMBIA der
HAPAG, einem German Greyhound, verfasste einen Reisebericht, welcher in Die
Gartenlaube 1890 publiziert wurde - Ueber
den Ocean, Bilder von einem deutschen Schnelldampfer.
reprint from Die Gartenlaube, writer Gutav Kopal
reprint from Die Gartenlaube, writer Gutav Kopal
Ich habe den Reisebericht bei meinen
Recherchen für meine neue Artikelserie über die Deutschen Windhunde (German Greyhounds) zur See gefunden. Viel Spaß beim Lesen.
Der Text ist in der alten deutschen Orthographie
gehalten, um die Authentizität aufrecht zu erhalten.
ss COLUMBIA auf einem HAPAG Reiseplakat von 1893
Ueber den Ocean.
Bilder von
einem deutschen Schnelldampfer von Gustav Kopal, Zeichnungen von Alexander
Kircher.
Bild von Alexander Kircher
Haben Sie
gehört? Die ,Columbia‘ hat den besten Record! In 6 Tagen 7 Stunden 48 Minuten
über den Oecan, noch dazu auf der ersten Reise; beste Fahrt und beste
maiden-trip, die je gemacht worden sind, und die Engländer glänzend geschlagen
– Hurrah für die ,Columbia‘!“
So ungefähr
verbreitete sich, in jenem seltsamen Gemisch von Deutsch und Englisch, wie es
der seemännischen Sprache eigen ist, am 27. Juli 1889 in Hamburg von Mund zu
Mund lauffeuerartig eine frohe Kunde, welche die gewöhnlich so
schwerbeweglichen Hansestädter ganz aus dem Häuschen brachte. Alles jubelte,
nicht nur die „Lüüd vun de Waterkant“, die Leute von der Wasserseite, d. h. die
unmittelbar am Schiffahrtsverkehr betheiligte Bevölkerung, und die Inhaber von
Packetfahrtaktien, sondern auch ein jeder, der nur irgendwie vaterländischer
Regungen fähig war.
In der That
dürfen die Leistungen der beiden neuen Hamburgischen
Doppelschraubenschnelldampfer, der Schwesterschiffe „Augusta Viktoria“ und
„Columbia“, als ein sehr bemerkenswerther Fortschritt im neuzeitlichen
Verkehrswesen betrachtet werdett. Schon die erstere schlug den bisherigen
besten Leistungsaufweis (sportsmännisch „Record“) der britischen Marine; nun
hatte gar der andere Zwilling das unerhörte Glück, auf der Erstlingsfahrt, der
„maiden-trip“, von welcher wegen der noch nicht eingearbeiteten Maschinerie gar
nichts Besonderes erwartet wird, ganz Ungeahntes zu leisten: in der
obenerwähnten Zeit von den Scilly-Inseln nach Amerika, in 6 Tagen 20 Stunden 18
Minuten von Southampton nach New-York – das war überhaupt noch nicht dagewesen.
Es handelt
sich hier nicht etwa, wie es ängstlichen „Binnenländern“ vielleicht
schaudererregend vorschweben dürfte, um ein tolles Wettfahren im Geiste der von
Gerstäcker und anderen so lebhaft geschilderten Dampferrennen auf dem
Mississippi. Schon seit zwölf Jahren hatten die Engländer ihre Fahrten mit sog.
Schnelldampfern gemacht, und erst, als die Erfahrung lehrte, daß die raschen
Reisen ihrer kürzeren Dauer halber die Gefahrensumme nicht vermehrten, sondern
verminderten, entschloß sich die „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt
Akiengesellschaft“ zu dem wohlüberlegten Wagniß, auch ihrerseits fast neun
Millionen Mark auf den Bau zweier Dampfer zu verwenden, die an Schnelligkeit
und zugleich Sicherheit, sowie an Bequemlichkeit alles Vorhandene in Schatten
stellen sollten. Ebenso nur nach reiflichem Erwägen entschied man sich für das
erst auf wenigen ausländischen Fahrzeugen erprobte Doppelschraubensystem.
Schiffe mit
zwei Schrauben hat es schon früher gegeben, indessen wurden diese von einer
einzigen Maschine getrieben. Der große Fortschritt des neuen Systems aber liegt
darin, daß bei ihm beide Schrauben je von ihrer eigenen Maschine bewegt werden.
Nun liegt aber eine der Gefahren, denen Seedampfer ausgesetzt sind, in dem Unbrauchbarwerden
der Maschine, welche den Koloß fast hilflos dem Spiel der Wellen preisgiebt.
Das Doppelschraubensystem, wie es nebenbei bemerkt am 1. August 1888 von der
englischen „Inman-Linie“ zuerst an einem New-York-Dampfer erprobt worden ist,
beseitigt jene Gefahr fast völlig. Auch kann das Schiff dadurch, daß man beide
Schrauben in entgegengesetzter Richtung arbeiten läßt, viel geschwinder als mit
dem gewöhnlichen Mittel des Steuers, fast um seine eigene Achse, gedreht
werden, und das ist unter Umständen sehr schätzbar.
Rettungsboot klar zum Aussetzen - Die Gartenlaube (1890) - Bild von Alexander Kircher
Was die
Schnelligkeit betrifft, so ist Außerordentliches erreicht worden. Guter alter
Fulton, der Du nach unsäglichen Mühen, allem Hohn trotzend, endlich im August
1807 den ersten Dampfer „Clermont“ der staunenden Mitwelt auf den Stromwellen
des Hudson vorführen konntest, was würdest Du für Augen gemacht haben, wenn ein
Prophet Dir geweissagt hätte, daß die Strecke, welche zu durchfahren der
„Clermont“ damals 30 Stunden brauchte, jetzt in 3 Stunden zurückgelegt werden
würde! Und selbst noch in neuerer Zeit, bis zur eigentlichen Einführung des
Schnelldampferbetriebes 1880, galten 13 bis 14 „Knoten“, d. i. Seemeilen[1]
in der Stunde, als eine Glanzleistung der Technik. Die „Columbia“ dagegen
erzielte bei der Probefahrt 19, 19½ bis fast 21 Knoten; die „Augusta Viktoria“
durchlief am sechsten Tage der Erstlingsreise trotz wenig günstigen Seeganges
464 Seemeilen, das sind 19½ Knoten.
Hier möge
bemerkt werden, daß in den Schnelldampfern die der Mehrzahl der Besucher
riesenhaft erscheinenden Maschinen, deren 8 große Kessel 10160 Centner wiegen
und während der Reise hin und zurück je 240 Eisenbahnwagenladungen Kohlen
verzehren, demjenigen Beschauer
verhältnißmäßig klein dünken, der der nur die von der älteren Technik
hergestellten Motoren kennengelernt hat. Die neueste „Compound“-Maschine ist,
ihrem Namen entsprechend, „compendiös“ und nimmt verhältnißmäßig wenig von dem
kostbaren Raum des Dampfers in Anspruch. Trotzdem arbeitet sie kräftig genug,
wenn man berücksichtigt, daß der Durchmesser der Kurbelwellen ½ Meter, das
Gewicht jeder einzelnen derselben 900 Centner, dasjenige der beiden
Schraubenwellen aber je 820 Centner beträgt. Das Gesammtgewicht beider
Maschinen beläuft sich auf etwa 20000 Centner; sie entwickeln zusammen 13000
Pferdekräfte und die 48 Feuerungen münden in 3 Schornsteine von je 3,4 Metern
Durchmesser.
Im Maschinenraum - Die Gartenlaube (1890) - Bild von Alexander Kircher
„Ich möchte
zuerst die Maschine sehen,“ erklärte der Besucher eines solchen Seeriesen dem
ihn führenden Schiffsoffizier.
„Welche?“
antwortete dieser. „Wir haben deren 40.“
„Ich meine
die Dampfmaschine.“
„Nun ja, 40
selbständige Maschinen mit zusammen 82 Dampfcylindern.“ – Und da besah man die
11 „Bordmaschinen“ zum Ein- und Ausladen von Waren, die 4 Dynamomaschinen zur
Speisung des elektrischen Lichtes, von denen immer 2 abwechselnd ununterbrochen
arbeiten, da die unteren Räume auch den Tag über künstliches Licht erfordern;
die 10 Dampfpumpen, von denen eine zur Speisung der an Bord befindlichen
„Süßwasserstationen“, der Seewasser-Destillirvorrichtungen, bestimmt ist,
ferner die 4 Dampfsteuerapparate, die für sich das Drehen des Steuerruders von
Steuerbord nach Backbord oder umgekehrt in nicht ganz 5 Sekunden
bewerkstelligen können; die Ankerwinden und noch eine Reihe anderer nützlicher
Hilfskräfte gleichen Schlages, deren Aufzählung hier zu weit führen würde.
Wesentlich
auch der Sicherheit, nicht nur der Schnelligkeit dient ein beträchtlicher Theil
der erwähnten großen Masse von Maschinen schon aus dem Grunde, weil im Fall des
Unbrauchbarwerdens einer derselben die anderen ihren Dienst selbständig
versehen.
Der
wachthabende Offizier auf der Kommandobrücke, den unser Hauptbild oben links
zeigt, hat das in zahlreichen Seeromanen eine so große Rolle spielende
Sprachrohr nicht nöthig; es würde auch bei einem Fahrzeuge von so gewaltigem
Umfange allzu große Anforderungen an die menschliche Lunge stellen. Auf der
Kommandobrücke befindet sich, neben drei Kompassen, eine sechsfache
Telegraphie, je 3 Apparate auf Steuerbord und Backbord, also rechts und links
von dem nach vorwärts Blickenden. Ein Zifferblatt auf jedem Apparat, ähnlich
demjenigen einer Uhr, zeigt mit unfehlbarer Sicherheit nicht nur, ob ein Befehl
dem Maschinisten richtig gegeben worden ist, sondern auch, durch die von
letzterem bewirkte Stellung eines zweiten Zeigers, ob der Maschinist das
Kommando richtig verstanden hat; zugleich ertönt ein entsprechendes
Glockenzeichen. Zwei weitere Uhrenapparate stehen unmittelbar mit den
Dampfcylindern in Verbindung und legen genau Rechenschaft über die Umdrehungen
der Wellen, beziehungsweise der Schrauben ab.
Dampfsteuerapparat - Die Gartenlaube (1890) - Bild von Alexander Kircher
Im übrigen
ist beim Bau wie bei der Einrichtung der Schnelldampfer nichts von dem versäumt
worden, was die Erfahrung zu thun und zu lassen gebot. Die
Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft, die seit 1847 besteht,
seit 1856 die regelmäßige überseeische Dampferverbindung betreibt, erst mit 2,
jetzt mit 40 großen Dampfern, hat hinreichende Erfahrungen selbst gemacht,
neben den vielen guten auch vereinzelte trübe. Ohne Unglücksfälle geht es nun
einmal bei Eisenbahn- und Dampferbetrieb nicht ab, und doch würde die
Menschheit nicht zu Segelschiff- und Postwagenbeförderung zurückkehren wollen.
Aber die empfangenen Lehren sind beherzigt worden. Beispielsweise kannte man
schon vor Jahrzehnten die „Schotten“, die wasserdichten Wände, durch welche das
Schiff in Einzelabtheilungen zerlegt wird; aber es ging mit ihnen mehrfach wie
mit den Noththüren in Theatergebäuden: zum Oeffnen dieser, oder zum Schließen
jener war in Nothfällen kein Mensch da. Jetzt hat man die Sache anders
angefangen. Unsere Schnelldampfer sind nicht nur mit doppelten Bodenlagen
versehen, sondern auch mit 11 bis zum Oberdeck durchgehenden eisernen
Querschotten ausgestattet, somit in 12 wasserdicht getrennte Abtheilungen
zerlegt. Die durch die Schotten führenden Thüren befinden sich über der
Wasserlinie, bis auf einige Pforten im Maschinenraum, die, falls sich der
untere Theil des Schiffes mit Wasser füllen sollte, mit wenigen Handgriffen von
oben abgeschlossen werden. Die anderen vorhin erwähnten Thüren, deren eine
unsere Abbildung „Gang im Zwischendeck“ vorführt, können im Nu geschlossen
werden; durch 6 doppelte Hebel wird der Thürflügel an die Gummibekleidung des
Thürrahmens gepreßt und somit auch über der Wasserlinie der vollständige
Abschluß hergestellt.
Die zehn
mächtigen Dampfpumpen des Schiffes fördern in der Minute 360 Hektoliter Wasser,
würden somit innerhalb vier Stunden das Schiff ganz wieder auspumpen können,
wenn es vollständig mit Wasser gefüllt wäre; eine Einzelabtheilung dürfte nur
etwa 20 Minuten erfordern. Bemerkt zu werden verdient hier, daß auch die
Dampfmaschinen vollständig wasserdicht von einander abgetrennt sind. Die
Dampfpumpen können zugleich als Feuerspritzen
dienen; der Feuersgefahr wird überdies noch besonders dadurch begegnet, dass
ein einziger Hebeldruck im Maschinenraum jede einzelne Schiffsabtheilung sofort
unter Wasserdampf setzen kann.
Gang im Zwischendeck - Die Gartenlaube (1890) - Bild von Alexander Kircher
Die
Rettungsboote, gegenüber den plumpen Holzschaluppen älterer Zelt
jetzt sehr vervollkommnet, sind aus Stahlblech gebaut, mit Luftkästen versehen
und können, trotzdem ein jedes 60 bis 80 Personen aufzunehmen imstande ist, von
wenigen Leuten sofort zu Wasser gebracht werden. Schon vor dem Antritt der
Reise wird jedes Boot mit Mast, Segeln, Nahrungsmitteln und Wasser vollständig
ausgestattet. Die Schnelldampfer des „Norddeutschen Lloyds“ in Bremen führen
auch eine Anzahl Sheperdscher Patentflöße an Bord. Eine Korkweste, die mit
Leichtigkeit einen Menschen über Wasser halten kann, erhält jeder Passagier
beim Antritt der Reise verabfolgt. Endlich giebt es noch die
Patentsegeltuchboote, die von geteertem und durchaus wasserdichtem Segeltuch
angefertigt sind; für gewöhnlich zusammengelegt, haben sie das Aussehen einer
großen Reisetasche. Im Falle der Gefahr werden durch wenige Handgriffe die
Rahmen aufgeklappt, stählerne Spanten stellen sich selbstthätig auf, das
Segeltuch wird straff angezogen, und das Rettungsboot für etwa 40 Personen ist
fertig; es hat dann das Aussehen eines gewöhnliche Bootes.
Als
Sicherheitsvorrichtung verdient auch noch die „Telegraphie nach Achter“
Erwähnung („achter“ plattdeutsch für „hinten“), welche u. a. beim Verlassen des
Hafens und beim Einfahren in diesen zur Anwendung kommt. Zu älteren Zeiten
stand unter besonderen Umständen bei schwierigem Fahrwasser
Ventilatoren auf Deck - Die Gartenlaube (1890) - Bild von Alexander Kircher
der Lootse vorn am Bug und signalisirte mittelst geschwenker Fähnlein oder
farbiger Laternen dem Manne am Steuer hinten („achter“) seine Befehle; ein
System, welches auf großen Schiffen bei starkem Nebel keinen sicheren Verlaß
bot. Auf den neueren Dampfern vermittelt ein eigener elektrischer Telegraph den
Verkehr zwischen Vordersteven und der Kommandobrücke. Unsere Abbildung (S. 242)
bietet den Vergleich zwischen älterer und neuer Zeit.
Auf demselben
Bildchen ist links vom Beschauer ein Mörser sichtbar; dieser dient
selbstverständlich nicht zu kriegerischen, sondern nur zu friedlichen Signal- und
Salutzwecken. Zu Kriegszeiten würde übrigens wohl kaum ein feindliches Fahrzeug
sich gelüsten lassen, die erfolglose Jagd hinter einem dieser Schnelldampfer
her zu beginnen.
Für die
Bequemlichkeit der Fahrgäste ist in so reichlichem Maße gesorgt wie kaum je
zuvor; je größer ein Fahrzeug ist, um so leichter wird es, den Anforderungen in
dieser Hinsicht zu entsprechen. Freilich hat auch die Größe ihre Grenzen.
Bekannt ist der verunglückte Versuch der Engländer mit dem zuerst „Leviathan“,
dann „Great Eastern“ genannten Riesen, der mit seinen 207 m Länge und 25,3 m
Breite überall stecken blieb und kürzlich „geschlachtet“, d. h. als altes Eisen
verkauft wurde. Die Größenverhältnisse der neuen Schnelldampfer sind
bescheidenere. Die „Columbia“ ist nur 141 m lang und 17,7 m breit; die Tiefe
vom Oberdeck bis zum Kiel beträgt 11,6 m; das „Deplacement“ (Verdrängung des
Wassers durch den Schiffskörper) 10000 Tonnen. Von den fünf Verdecken:
Promenade-, Ober-, Haupt-, Zwischen- und Orlogdeck, sind die vier letztgenannten
aus Stahlplatten wasserdicht genietet und mit Holzplatten belegt. – Wie
großmächtig sich nun auch ein solcher Seeriese ausnimmt, sei es am Tage bei
hellem Sonnenschein, sei es zur Nachtzeit, welch er im Glanze seiner 800
elektrischen Glühlampen und seiner 10 großen Sonnenbrenner strahlt, der Raum an
Bord ist doch stets weise einzutheilen und genau auszunutzen, denn außer Ladung
und Vorräten muß Unterkunft geschaffen werden für 376 Passagiere I. Klasse, 126
II. Klasse, 400 III. Klasse, ferner für 6 Offiziere und 292 Mann Besatzung,
einschließlich der 10 Maschinisten, 12 Assistenten und 80 Heizer, im ganzen
also für 1200 Köpfe. Der Bequemlichkeitsbegriff kann hier also nur ein
verhältnißmäßiger sein. Wer zuerst einen solchen Passagierdampfer betritt, der pflegt
zwar die Pracht und die räumliche Ausdehnung der Speise- und Unterhaltungssäle
der I. Klasse gebührend anzustaunen, aber später nimmt es ihn Wunder, daß
selbst in den reich ausgestatteten Schlafkabinen für Familien die Betten
übereinander angebracht sind. In dieser Hinsicht walten bei dem „schwimmenden
Hotel“ ganz andersartige Verhältnisse ob, als bei demjenigen auf dem Festlande.
So würde es beispielsweise auch ein Uneingeweihter kaum für möglich halten, daß
in den drei Küchen an Bord neben den Dampfkochapparaten für die
Zwischendeckspassagiere noch Raum ist für die Zubereitung der ausgesuchtesten
Mahlzeiten für den Salon; kann sich doch der Küchenmeister kaum umdrehen.
Indessen es geht alles, wenn man will. Wer aber die jetzigen hübschen
Einrichtungen für Reisende III. Klasse, welche in Gruppen von 12 bis 18
Personen je eine Kammer zugewiesen erhalten, mit dem großen Gesammtraum des
Zwischendecks alter Bauart vergleicht, der weiß nicht genug den Fortschritt der
Neuzeit zu loben.
Die prachtvolle Ausstattung der Säle, der Lichtschachte und Treppenhäuser etc. lassen schon unsere Abbildungen erkennen. Hier ist wirkich nichts gespart worden, wenn man sich auch in richtiger Beschränkung vor überladenem Pomp gehütet hat. Wer Sinn hat für das deutsche Kuustgewerbe, der wird entzückt durch diese Räume wandeln; da finden sich Kabinettstücke der ausschmückenden Künste, die im Stile meist dem Barock und Rokoko huldigen. Besonders erwähnenswert dürften die Holzschnitzereiarbeiten, die Musikinstrumente und die Gemälde sein, welch letztere von Künstlern ersten Ranges herrühren. Das kostbare Mobiliar ist aus naheliegendem Grunde unverrückbar an dem Boden befestigt, ebenso sorgen entsprechende Einrichtungen bei den Mahlzeiten dafür, daß das „Schlingern“ des Schiffes nicht das Tafelgeschirr durcheinander wirft.
Die prachtvolle Ausstattung der Säle, der Lichtschachte und Treppenhäuser etc. lassen schon unsere Abbildungen erkennen. Hier ist wirkich nichts gespart worden, wenn man sich auch in richtiger Beschränkung vor überladenem Pomp gehütet hat. Wer Sinn hat für das deutsche Kuustgewerbe, der wird entzückt durch diese Räume wandeln; da finden sich Kabinettstücke der ausschmückenden Künste, die im Stile meist dem Barock und Rokoko huldigen. Besonders erwähnenswert dürften die Holzschnitzereiarbeiten, die Musikinstrumente und die Gemälde sein, welch letztere von Künstlern ersten Ranges herrühren. Das kostbare Mobiliar ist aus naheliegendem Grunde unverrückbar an dem Boden befestigt, ebenso sorgen entsprechende Einrichtungen bei den Mahlzeiten dafür, daß das „Schlingern“ des Schiffes nicht das Tafelgeschirr durcheinander wirft.
Die Säle und
Kabinen zweiter Klasse sind etwas weniger reich, aber immerhin gleichfalls mit
nicht geringen Kosten ausgestattet. Im Zwischendeck ist Sorge getragen, daß
allen vernünftigen Anforderungen entsprochen werde; besonders praktische
Bilder von einem Ocean-Schnelldampfer - Die Gartenlaube (1890) - Bilder von Alexander Kircher
Clockwise/Im Uhrzeigersinn, Kommandobrücke.
Promenadendeck. Lichtschacht im Speisesaal. Treppe zu den Sälen.
Schlafkabine. Musiksaal.
Schlafkabine. Musiksaal.
Einrichtung
hat das Zwischendeckshospital erhalten. - Ein wesentlicher Vorzug der großen
Dampfer ist ihre ausgezeichnete Lüftung. Ueber 40 große Ventilatoren auf dem
Oberdeck, wie sie auf unserer Abbildung (S. 239) ersichtlich sind, führen
fortwährend Massen von frischer Luft in die unteren Räume. Die Luft- und
Lichtschachte können selbst bei schlechtem Wetter offen gehalten werden;
daneben sind noch mechanische Ventilatoren vorhanden, von denen jeder einzelne
durch eine besondere kleine elektrische Maschine von einem durch Dampf
getriebenen großen Elektricitätserzeuger in Gang gesetzt wird. So bietet denn
auch in dieser Beziehung das heutige Zwischendeck selbst bei stürmischem Wetter
einen erfreulichen Gegensatz zu den Höllenqualen vergangener Zeiten.
Die
Hauptbequemlichkeit jedoch, auf welche die neuen Schnelldampfer mit dem stolzen
„Uns kann keiner!" hinweisen dürften, liegt eben in der schnellen Fahrt
begründet. Das weiß jeder, der jemals als Fahrgast das Weltmeer durchkreuzt
hat. Die ersten
Telegraphie nach Achter - Die Gartenlaube (1890) - Bild von Alexander Kircher
Tage an Bord
sind genußreich. Wie viele Stunden kann man nicht schon mit der Besichtigung
der Schiffseinrichtungen angenehm und lehrreich zubringen! Dann dient als etwas
schmerzlicher Zeitvertreib die Seekrankheit, gegen welche bekanntlich kein
Kraut gewachsen ist; zum Glück hat sie noch nie einen Menschen das Leben gekostet
und geht bald vorüber; ach, und wie prächtig ist nachher der Appetit der
Genesenen ! Nunmehr macht man Bekanntschaften, bei schlechtem Wetter in
den Sälen, bei gutem auf dem Promenadendeck, wo sich prächtig wandeln,
plaudern, beobachten und rauchen läßt und wo manche jüngere Dame derjenigen
Unterhaltung pflegen kann, welche die Engländer mit dem unübersetzbaren
Zeitwort „to flirt" bezeichnen und
für welche das deutsche „liebeln" schon ein zu starker, derber Ausdruck
ist. Da bilden sich Gruppen, später Parteien, es entstehen
Freundschaftsbündnisse, die freilich oft nicht lange dauern, und selbst
Verlobungen kommen vor, denen nicht selten die „Entlobungen" bald folgen;
denn das „engagement“ der Engländer ist
bekanntlich ganz anderer Art als der deutsche Brautstand. Außerdem aber sorgen
Bücher, Musik, Skat und andere Spiele für Kurzweil.
So macht sich
die Sache während der ersten Tage wunderschön.
Doch wenn die
erste Woche zu Ende ist? - Ja, dann steigen Wolken am Horizont dieser Welt im
Kleinen auf. Der Koch mag anfangen, was er will, der Inhalt seiner
Fleischkammer hat trotz des Eisvorrathes den Jugendschmelz eingebüßt. Die
freundlichen kleinen Hecheleien, welche man einem seiner Nächsten anvertraut,
hat derselbe durch Vermittelung eines anderen Nächsten dem betreffenden
Durchgehechelten mitgetheilt. Da giebt es kühle Blicke und spitze Redensarten.
Aus Freundschaften werden Feindschaften. Die Bücher sind durchgelesen, neue
Zeitungen werden schmerzlich vermißt; die Paradestücke der klavierkundigen
Damen kennt man nunmehr schon auswendig, und selbst die Vorträge der von den
Stewards gebildeten kleinen Schiffskapelle, welche zuerst auf dem
Promenadendeck stürmischen Erfolg hatten, bieten keinen Reiz mehr. Der
Geschäftsmann wird immer gespannter auf Nachrichten vom Gange seiner
Unternehmungen. Doch wozu das Register noch lange fortführen ? Aus allem
Gesagten geht schon hervor: nach Ablauf der ersten Woche an Bord wird nach und
nach das erst so begeistert gepriesene Schiff zum Gefängniß, und bleiern
herrscht in demselben die Langeweile!
Und das ist
denn auch der Hauptgrund, weshalb jeder, der zu öfterem Durchkreuzen des
Atlantischen Oceans Anlaß hat, den Schnelldampfer wählen wird; denn über die
hier gebotene Bequemlichkeit, so und so viel Tage und Stunden früher
anzukommen, geht doch nichts. Mögen bie Ueberfahrtspreise auch theurer sein,
was schadet's? Es weiß ja jeder, daß nach einem althamburgischen Scherz die
Buchstaben H A P A G auf der Flagge der „Hamburg - Amerikanischen Packetfahrt -
Aktien - Gesellschaft" zugleich die sinnige Frage bedeuten: "Haben
alle Passagiere auch Geld ?" Kostspielig ist so eine Reise, aber auch
Zeit ist Geld, und die ersparten Reisetage sind Goldes werth!
[1] 1 Seemeile = 1855 Meter
Die Gartenlaube, 1890, Verlag - Ernst
Keil’s Nachfolger in Leipzig
https://de.wikisource.org/wiki/Ueber_den_Ocean
by Earl of Cruise
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